245. Tag, Rest: 121 Tage
Im Süden des Londoner Stadtteils Camden ist ein Stück Mittelalter stehen geblieben. Genauer gesagt geht es um die St Etheldreda’s Church am Ely Place und den Pub ‘Ye Olde Mitre’. Dorthin hat mich George auf ein Bier eingeladen, aber diesmal können wir uns nicht vor Ort treffen, denn ich würde das Lokal nicht alleine finden. So prophezeit er es mir und ich bin gespannt was gemeint ist. Eigentlich sind Pubs an Gästen interessiert und lotsen einen zuverlässig auch in eher abgelegene Hinterhöfe. Aber was mich hier erwartet ist unfassbar. George hatte eher untertrieben.
Wir steigen aus der Central Line an der Chancery Line Street aus und gehen über die laute und vielbefahrene High Holborn in Richtung Hatton Garden. Unvermutet biegt George in einen dunklen, schmalen Durchgang ab, zieht mich mit, und dann folgen wir einer engen Gasse, kaum breit genug um nebeneinander zu gehen. Hohe Hauswände begrenzen den Weg links und rechts, wer Platzangst hat wird tief einatmen müssen. Dann wird es breiter und heller und ein Pub, so hübsch herausgeputz wie im Bilderbuch, taucht ganz versteckt an der linken Seite auf. Ich kann es nicht fassen! Eben waren wir noch im dicksten Londoner Feierabendverkehr und jetzt sind wir in einer anderen Welt gelandet. War das schmale Tor der Eingang zu einer vierten Dimension? Sind wir aus der Zeit gefallen?

Der Pub hat den sperrigen Namen ‘Ye Olde Mitre’. Da steckt das Wort ‘mitra’ drin und damit ist die Kopfbedeckung eines Bischofs gemeint. Diese Taverne ist auf Kirchenland gebaut worden. Hier residierte im Mittelalter der Bischoff von Cambridgeshire wenn er London besuchte. Und weil der sich damals keiner weltlichen Macht unterstellen wollte, hatte man diesen Flecken einfach zur Enklave erklärt. Der Witz an der Sache ist, dass sowohl die Straße Ely Place als auch der Pub und die dazugehörige Gasse noch heute offiziell zu Cambridgeshire gehören! Sollte hier etwas vorfallen, ist die Metropolitian Police von London nicht befugt einzugreifen! Man hat sogar einen eigenen Commissioner, der unter anderen morgens und abends das Tor an der Straße zum Holborn Circus abschließt!

Ely Place ist eine Sackgasse und sie wird tatsächlich nachts versperrrt. Dann bleibt nur noch der Ausgang über die schmale Gasse, entlang am Pub. Vermutlich wird aber auch dort die Tür irgendwann zugeschlossen. Ich lausche und staune und glaube es eigentlich erst am nächsten Tag, als ich ein bißchen im Internet recherchiere. Aber es scheint alles wahr zu sein, hier pflegt man den Anachronismus.
Dieser Abend war mal wieder märchenhaft und das lag auch und ganz besonders am Pub. Das ‘Ye Olde Mitre’ ist genau so wie ich mir eine englische Taverne immer vorgestellt habe. Urgemütlich, verwinkelt, liebevoll eingerichtet, die Wände voller kostbarer Details aus früheren Zeiten. Viel Platz gibt es nicht, aber im Sommer kann man den “Garten” nutzen. Wegen der Enge, die auch draußen herrscht, hat man einfach Stehtische in der schmalen Gasse aufgestellt. Ein verwinkelter Weg zieht sich um das Lokal herum. Wo immer man sein Glas abstellen kann, bleibt man einfach stehen. Auf halben Weg muß man einer Holzbude ausweichen, die genau wie die kleinen Sheds aussieht, die jeder Londoner im Garten hat. Hier dient der Schuppen aber nicht zum Unterstellen von Gartengeräten, sondern als Herrentoilette. Wahrscheinlich steht nicht mehr als ein Eimer drin? Ich vergaß bei George nachzufragen. Selber durfte ich im ersten Stock die Nase pudern. Über eine schmale Stiege geht es nach oben. Wer nicht mehr nüchtern ist, wird sich das Bein brechen. Das wird der Grund sein, warum die Männer in den Hof gehen.

Das Essen ist rustikal, die typischen kleinen Snacks, die der Landlord anbietet. Das Bier ist natürlich ein Real Ale, aber das Highlight ist die Gemütlichkeit. Ein kleiner Raum, mit wenigen Tischen, lädt ein. Daneben noch ein Separée, wo nur eine alte Eichentafel zur gemütlichen Runde einlädt. Man fühlt sich sofort wie zu Hause. Wer hier keinen Kontakt zu Londoner findet, dem weiß ich auch nicht mehr zu helfen.

Gut zwei Stunden später folgen wir beschwingt und bester Laune der schmalen Gasse, die uns wieder ins Leben führen wird. Als wir durch die Tür auf die noch immer belebte Strasse treten, ist es erneut für meine Sinne schwer fassbar, was da gerade passiert ist. Hello London, we’re back.

The boss himself says:
George says: “Yes it’s really unremarkable. Passing through the iron gates that separate Ely Place from the hustle and bustle of Holborn is like entering a mysterious fourth dimension.“
Ich sage: “Unbedingt mal besuchen. Der Pub ist Mo-Fr von 11-23 Uhr geöffnet. Abends kann es eng werden.“

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