223. Tag, Rest: 143 Tage

Ich kenne (fast) nur freundliche, nette Engländer. Das mag daran liegen, dass bei George keine Hooligans wohnen und seine Kumpels im Pub sich dem Rentenalter nähern. Mit anderen Worten, sie werden langsam ruhiger. Auch die Kollegen, die ich von Zeit zu Zeit sehe, sind meisten gut gelaunt und bemühen sich redlich die Laune hochzuhalten. Statt eines Händedrucks bekomme ich zur Begrüßung eher einen guten Witz erzählt. Nach dem Motto: Ein Osterhase sagt zum Schneemann, gib’ mir deine Möhre oder ich föhne dich. So in diesem Sinne.
Seien Sie aber lieber sparsam mit dem Händeschütteln, die Engländer mögen es nicht. Entweder gar nicht anfassen oder herzhaft umarmen. Dazu sollte man sich allerdings schon zwei-, dreimal gesehen haben. “Ja, aber”, fragt mich eine Freundin “ärgert sich der Engländer denn nie über andere?” Doch das tut er schon und Gelegenheit ist reichlich, denn man trickst sich gerne gegenseitig aus. “Und was macht er dann? Schluckt er seinen Ärger runter? Das wäre ungesund.” Stimmt genau und deshalb macht er sich sehr wohl Luft. Aber niemals ohne einen Witz einzubauen. Egal wie wütend man ist, egal wie laut man schimpft, der Unterhaltungswert muß gewahrt bleiben. Und da ist der Brite wirklich einfallsreich. Ich habe mal ein paar Beispiele gesammelt. Sie sind durchaus zur Nachahmung geeignet. Also Phantasie benutzten, spontan reagieren und ein bißchen improvisieren. Schon kann man sehr vergnüglich streiten.
Die Mikrowelle
Im Labor war die Mikrowelle kaputt. Man wartete auf den Servicemann, aber das kann dauern. Damit niemand zu Schaden kommt, denn das Gerät sollte auf keinen Fall angemacht werden, klebte man einen Hinweis an die Front. Ich hätte zusätzlich den Stecker gezogen, aber nun ja, darauf kann auch nur eine Deutsche kommen. They are so strict and safety, aren’t they? Ich ernte kopfschüttelnde Bewunderung.
Am nächsten Tag wartete das defekte Gerät noch immer auf seine Reparatur. Die Mitarbeiter nicht minder, die waren aber inzwischen aktiv geworden und hatten einfallsreich reagiert. Ein zweiter Zettel klebte an der Mikrowelle:
Und weil noch ein bißchen Platz war, hing dann am Nachmittag auch noch eine dritte Botschaft am Gerät. Abends kam dann der Techniker, konnte nix mehr richten und versprach am nächsten Tag Ersatz zu bringen. Das war eigentlich schade, denn es hätte noch recht unterhaltsam werden können.
Sorry – lesson learned
Weil die neue Mikrowelle so gut funktionierte, konnte man jetzt auch wieder Fish & Chips heiß machen. Prima, eine warme Mahlzeit zwischendurch ist nicht zu verachten. Allerdings geht das nicht so ganz geruchlos. Was tun? Den Verursacher direkt ansprechen? Undenkbar. Aber man könnte es als allgemeinen Hinweis ans schwarze Brett hängen, dann wissen gleich alle Bescheid. – Hat funktioniert und der “Schuldige” war einsichtig:
Kollege Brian
Brian ist Arzt und Engländer. Mit anderen Worten, er ist ein richtig netter Kerl. Man kann immer auf ihn bauen, er wird einen nie hängen lassen. Leider weiß das jeder und deshalb wird er systematisch ausgenutzt. Weil Brian exzellent ausgebildet ist, verdient er einen hohen Stundenlohn. Und auf Dauer wird er als Putzhilfe einfach zu teuer. Da mußte gegengesteuert werden. Aber wie? Natürlich auf die englische Weise:
The boss himself says:
George says: “Is there anything special? Everybody knows such ‘passiv aggressive’ notes. Your readers will find it boring. “
Ich sage: Das glaube ich nicht. Und weil wir gerade dabei sind, wie um alles in der Welt kann man sich stundenlang mit einer Entschuldigung beschäftigen, anstatt einfach eine neue Klorolle zu holen??? Das kann doch wohl nicht wahr sein. Statt Papier nachzulegen, bastelst du ganze Szenarien zusammen. “You had great fun? I knew it works!”
Was passierte noch am 10. August?
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1897 | Felix Hoffmann stellt zum ersten Mal Aspirin her. – George behauptet, die
Wirkung liegt hauptsächlich im Glas Wasser, das man unweigerlich mit der Tablette zu sich nimmt. Ich glaube er spinnt. Aber wer weiß? |
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1895 | In London wird das erste Promenadenkonzert in der Queen’s Hall aufgeführt.
Dirigent ist Henry Wood. – Ich drücke einer lieben Leserin (Eike) beide Daumen, dass sie dieses Jahr bei der Last Night in der Albert Hall live dabei ist. |