Mit dieser Frage bzw. Feststellung begrüßte mich George, als er zum inzwischen regelmäßigen (!) Wochenendbesuch einschwebte. Obwohl ich diesmal wirklich sehr wenig Zeit für ihn habe, ließ er es sich nicht nehmen nach Hamburg zu kommen. Ein gutes Beispiel für gewohnheitsmäßige Rituale; sie sind vielleicht nicht immer vernünftig begründet, aber sie geben einem ein wohliges Gefühl der Sicherheit. Man kann die Zukunft sicher planen.
Seine Frage bezog sich aber gar nicht auf mein Gefühlsleben, sondern gleich auf ganz Deutschland. Er hatte in der englischen Presse den Deutschlandbesuch der Queen verfolgt. Nach anfänglicher Skepsis, siehe meinen vorherigen Beitrag, schlugen die Kommentare ins Gegenteil um. Man ist schwer beeindruckt vom überaus herzlichen Empfang. England hat mitbekommen, wie begeistert die Queen in Berlin und Frankfurt begrüßt wurde. Wie lange die Menschen geduldig warteten, um dann einen nur allzu kurzen Blick auf die Wagenkolonne werfen zu können.

Übrigens soll die Queen bemerkt haben, dass man viel zu wenig Zeit eingeplant hatte. Sie soll kurzerhand dem Fahrer die Anweisung gegeben haben langsamer zu fahren. So konnte man wenigstens einen Augenblick länger den Bentley im Blick behalten. Neben dem war George übrigens vor wenigen Monaten, mitten im Londoner Verkehrsgewühl, stecken geblieben. Auch für ihn ein neues Gefühl, so nahe war er seiner Königin noch nie gekommen. [ => Offen wie ein Buch ]

Die englischen Zeitungen titelten nach dem zweiten Tag des Staatsbesuches: “The day Germany fell in love with Britain“. Das geht mir runter wie Öl, denn ich scheine eine Trendsetterin zu sein. Ich habe es schon im Januar gewußt, man muß sie lieben, die Engländer.
Erneut wurde die Bildzeitung zitiert und die hatte eine zugegeben wieder mal sehr gelungene Schlagzeile gefunden: “WE LOVE YOU, MA’AM!” Das hat die Engländer beeindruckt. Auch das man den wohl längsten roten Teppich der Welt für das königliche Paar entrollte. Er soll gut 300 Meter lang gewesen sein.

Im englischen Fernsehen wurde ausführlich über die herzliche Freundlichkeit der Deutschen berichtet, das mögen die Engländer. Das hatten sie nicht erwartet. Ich hätte eine Wette beim Bookie machen sollen. Soviel spontane Begeisterung für ihre Queen hätten sie uns nicht zugetraut.
Die englische Presse titelte: “How the Queen conquered the hearts of the German press“. Und dann zählte man stolz alle Schlagzeilen auf, die in Deutschland zu lesen waren: “Royal Greetings” (Süddeutsche Zeitung) oder die eher dröge FAZ mit großen Foto vom Treffen Merkel / Queen: “Harmonious contrast“.
Gordon Rayner, Royal Correspondent, kommentierte wie folgt:
Germany’s love for the Queen
“It is impossible to overstate just how popular the Queen is with Germans. Everywhere she has gone, has been greeted by huge, cheering crowds, and she has dominated the front an inside pages of German newspapers during her visit, of which every engagement has been shown live on TV. The German word for queen is Königin, but Elizabeth II is universally and affectionally referred to as simply “Die Queen”. All European royal families hold a certain fascination for the German People, but the British Royal Family is something of an obsession.”
In Frankfurt traf der Duke of Edinburgh auf Verwandte. Übrigens spricht Prinz Philip fließend Deutsch, hingegen scheint die Queen ohne Dolmetscher nicht auszukommen. Wie bei George und mir, wir haben es aber bisher immer ohne Übersetzer geschafft. Fast immer 😉

Der Besuch war für das hochbetagte königliche Paar ganz bestimmt körperlich anstrengend. Schon in Berlin sah man die Queen unermüdlich auf den Beinen, dasselbe dann in Frankfurt. So wundert es nicht, das der Duke auf der Garden Party, abends in Berlin, schwächelte. Der Mann ist immerhin 94 Jahre alt. Wenn auch immer im Hintergrund, lässt er seine Frau niemals alleine. Er geht eisern jeden Weg und jede Treppe mit. Chapeau!
Aber die Party hätte er vielleicht lieber auslassen sollen. Stattdessen früh zu Bett, vorher vielleicht noch einen Brandy als ‘Absacker’ *). Prinz Philip aber blieb eisern an der Seite seiner Frau und langweilte sich vielleicht ein wenig.
*) Die Engländer haben eine sehr witzige Übersetzung für den sogenannten Absacker, also für das letzte Glas, bevor man geht. Sie sagen: “One for the road.” Darüber kann ich mich immer wieder auf’s Neue amüsieren, aber vielleicht verstehe ich es einfach falsch?
Zurück zu Philip. Der war ganz klar nur Staffage und so versuchte er sich auf seine Art zu amüsieren. Es dauerte nicht lange und er fing an provokante Bemerkungen zu machen. Dafür ist er hinlänglich bekannt. In “mischievous mood” (spitzbübisch) raunte er einem Soldaten “angler dangler” (Fliegenfischer, hier etwas anzüglich gemeint) zu; einem anderen teilte er ungefragt sein Urteil über dessen Kleidung mit “terrible tie” (unmögliche Krawatte). Schließlich wurde er einem gerade aus West Afrika zurückgekehrten Gast vorgestellt. Prompt fragte er ihn: “Are you all right? I ask presumably referring to the Ebola outbreak.”
Wahrscheinlich war der 94-jährige Duke einfach nur müde. Er quängelte, wie ein Kind nach einem langen Ausflug. Schließlich zeigte er aber doch noch Einsicht und entschuldigte sich bei einem der Gäste: “I’m sorry I’ve fogotten your name. I forget everyone’s name nowadays.” Das kann ich nun wieder gut verstehen, geht es mir doch genauso.

Mein ganz persönliches Fazit des königlichen Besuches: Voller Erfolg. Und zwar für beide Seiten. Man hat sich besser kennengelernt und war mehr als angenehm über die gegenseitige ehrliche Freundlichkeit überrascht. Ich glaube Neugierde wurde geweckt. Vielleicht wird so mancher Engländer spontan seinen Urlaub in Deutschland verbringen wollen. Und vielleicht möchten jetzt noch mehr Leute ein Wochenende in London erleben. Das wäre doch schön.

Der Start des Besuches war ja ein bißchen holperig. Das Geschenk von Präsident Joachim Gauck kam so gar nicht bei der Queen an. Ich meine natürlich das bunte Acrylbild, das die Queen als Kind, auf einem Pony sitzend, darstellte. Ehrlich, mir hat es auch nicht gefallen. War das nun moderne Kunst oder einfach nur ein ziemlich simpel gemaltes Bildchen? Die Queen ging elegant über die Peinlichkeit hinweg und zwar auf die ihr so eigene Art. Sie macht den Mund auf, sie äußerst ihre Kritik aber immer auf unwiderstehlich charmante Art. English small talk pur. Der legendäre Bundespräsident Heinrich Lübke hätte die Situation brilliant gemeistert. Er hätte schlagfertig gesagt: “Your Highness, one does not look a gift horse in the mouth.”
Zum Humor von Prinz Philip gibt es viele Anekdoten. Bemerkenswert ist diese Aufnahme
vom Besuch der Queen 1965 in Deutschland:
https://www.youtube.com/watch?v=qmg7goFnTkI
Die Queen scheint nicht recht zu wissen, ob sie von der Ansprache peinlich berührt sein oder nur einfach lauthals lachen soll. Prinz Philip amüsiert sich auf jeden Fall prächtig und man kann ihn am Ende in tadellosem Deutsch sagen hören “Ich habe gar nichts verstanden….” Englischer Humor in Perfektion!